Der Erdkunde Leistungskurs
"Bah, Erdkunde. Trocken, langweilig, nutzlos."
"Seid Ihr denn blöd, viel Arbeit und Theorie ohne Praxisbezug?"
"Warum habt Ihr denn nicht etwas Interessanteres gewählt?"
"Ihr werdet ja sehen, was Ihr davon habt!"
"Seid Ihr denn alle arbeitsgeil?"
"Es gibt auch schönere und bequemere Wege, sein Abitur zu machen!"
Solche und ähnliche Reaktionen schlugen einem zu Beginn der 11.2. entgegen, und auch heute noch meinen manche Geisteswissenschaftler/-innen in unserer Jahrgangsstufe, z.B. die Pädagogen, ihr Fach hätte einen viel größeren Bezug zur Gegenwart bzw. für das spätere Leben.
Das gespaltene Verhältnis unserer Jahrgangsstufe zum Fach Geographie zeigt sich allein schon darin, daß es neben dem Leistungskurs keinen Grundkurs gibt. Entweder man ist Geograph und fühlt sich befähigt, auch im Leistungskurs mitzumischen, oder man ist es eben nicht.
Dem Lockreiz der Geographie erlagen schließlich 17 Geografen und 4 Geogräfinnen, wovon, zum Bedauern aller, Joachim Winterscheidt zum Ende des Halbjahres die Jahrgangsstufe verlassen mußte. Im Laufe der Zeit wurde ein weiterer Geograph unseres Kurses gegen einen der vorherigen Erdkundeklasse ausgetauscht. Ob es sich hierbei um ein Gewinn- oder Verlustgeschäft für uns handelte, kann ich leider nicht beurteilen. Die Geogräfinnen hielten jedoch, egal ob im Unterricht oder auf den diversen Festivitäten, immer wacker mit ihren männlichen Kollegen mit.
Ob es für das spätere Leben nun wichtiger ist, diverse Erziehungsmethoden vergangener Epochen zu kennen, oder endlich zu verstehen, warum es unsere westlichen Nachbarn geschafft haben, trotz schlechter Bodenvoraussetzungen zu Reichtum zu gelangen, bleibt dem geneigten Leser überlassen. Ich habe jedenfalls verstanden, warum die Orangenhaine in meinem Hintergarten nicht die Qualität von Onkel Dittmayers Valensina erreichen und warum der Sommerurlaub auf Balkonien zumeist schlechteres Wetter bietet als der Winter auf der Apenninhalbinsel.
Der Geographieunterricht bietet jedoch noch viel mehr. Für den Sozialwissenschaftler oder den Historiker ist hier ebenso etwas dabei wie für den Biologen oder den Wirtschaftswissenschaftler. Einige Lehrer mögen die hierbei stattfindende Prägung manchmal bedauert haben, im großen und ganzen profitierten sie wie ihre Schüler jedoch hiervon. Manch eine SoWi-Diskussion wäre ohne die Beiträge der Geographen ja richtig langweilig gewesen.
Auch wenn es uns leider nicht gelungen sein mag, alle Mitschüler vom Sinn unserer Leistungskurswahl zu überzeugen, so bleibt doch festzuhalten, daß es in unserem Kurs wohl niemanden gibt, der seine Wahl im nachhinein bereuen würde - schlechte Noten mögen zwar die augenblickliche Befindlichkeit trüben, im großen und ganzen bleiben aber wohl nur positive Erinnerungen an diesen Kurs. Die Anforderungen an uns waren hoch und bestimmt nicht immer leicht zu erledigen, ich bin aber trotzdem überzeugt, daß alles im Rahmen des Erträglichen geblieben ist und keinem von uns dauerhaft geschadet hat. Auch wenn manche es nicht glauben mögen, kann man auch Spaß bei der Arbeit haben.
Wenn auch zunächst nicht alle miteinander gut Freund waren, so ist der Kurs im Laufe der Jahre doch zusammengewachsen, und dieses Zusammengehörigkeitsgefühl spiegelt sich u.a. in den vielen Aktivitäten wider, die, unter tätiger Mithilfe unseres Lehrers, in dieser Zeit betrieben wurden.
Der gute Korpsgeist, auch im Vergleich mit anderen Kursen, wurde von allen gerühmt und läßt vermuten, daß man sich auch in Zukunft nicht aus den Augen verliert, sondern noch das ein oder andere Mal trifft.
Carsten Vyvers
PS: Es bleibt zu hoffen, daß unser Lehrer uns, den letzten Erdkunde-Leistungskurs, der diesen Namen vom Inhalt her verdient, in ebenso guter Erinnerung behalten wird, wie wir ihn.
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